Vulkan in Gräfenhain?

Einige Einwohner des in Königsbrück eingepfarrten Dorfes Gräfenhain genossen etwa vor 20 Jahren das furchtbare Glück der Natur, wie sie den Steinregen anschickt, zuschauen zu dürfen.

Als sie in der Heuerndte begriffen waren, riß eine über ihren Scheitelpunkt hingehende Wolke von den um sie herliegenden Steinrücken Steine in die Höhe, welche stärker als eine Mannsfaust, und besonders diejenigen, welche rund gestaltet waren. Zugleich leuchtete es da, wo die Steine aufgehoben wurden, als ein lichtbläuliches Feuer, unter einem Getöse, welches dem Rasseln einer fahrenden Carosse glich: daneben schnitt es das Gras von der Erde, als wenn es mit einem Scheermesser abgeschooren wurde.

Weiter hin verschlang dieselbe Wolke alle Heuhaufen von einer Wiese, führte sie hoch über den hohen Keulenberg hinweg, und man hat nie und nirgends gehört, wo sie selbige wieder habe fallen lassen.

Eine Taglöhnersfrau, welche sich auch dort mit der Heuerndte beschäftigte, rief außer sich ihrem Manne zu: „Wir wollen nach Hause gehen! Hole das Zeug! du siehst ja, dass der jüngste Tag kommt!“ Unerschrockener antwortete der Mann: „Du Narr! wenn der jüngste Tag kommt, brauchen wir das Zeug nicht!“ So erzählte ein scharfsinniger Augenzeuge diese Begebenheit Herrn B.

Es ist auch noch sehr zu bezweifeln, ob die im Steinregen herabgefallenen Steine von überirdischer oder vulkanischer Gattung sind. Gesetzt aber auch, sie wären vulkanisch; konnte die Wolke nicht selbige von der Erde aufgehoben haben, da sich in allen Ländern verschollene Vulkane und Erzeugnisse von ihnen vorfinden? Oder war es der Gewalt der Elektricität nicht möglich, mit der angezogenen Masse eine Veränderung vorzunehmen, welche dieselbe alles irdischen Ansehens beraubte? So viel auch in der Untersuchung der Elektricität mit unsern künstlichen Maschinen geschehen ist, so wissen wir dennoch bey weitem nicht alles, was ihre ungeheure Rüstkammer in den Lüften vermag.


Aus: Almanach der Fortschritte, neuesten Erfindungen und Entdeckungen in Wissenschaften, Künsten, Manufaktoren und Handwerken, von Ostern 1805 bis Ostern 1806. Herausgegeben von G. C. B. Busch. Mit 1 Kupfertafel. Eilfter Jahrgang. Erfurt 1807 bey Georg Adam Keyser,

von Gabriel C. Busch, Johann Bartholomäus Trommsdorff

(ab Seite 138)